Ein Flugzeug fliegt, wenn sein Antrieb größer ist als der Luftwiderstand. Der Auftrieb muss größer sein als das Gewicht des Flugzeugs. Der Auftrieb entsteht, wenn es sich mit seinen Tragflächen in der Luft bewegt. Wir sprechen von dynamischem Auftrieb.
Dynamischer Auftrieb entsteht, indem sich das Flugzeug durch die Luft bewegt. Es stellt die Tragflächen an. Das bedeutet, die Tragflächen werden vorne nach oben gekippt.
Unter Fliegen verstehen wir hier nicht den Start oder die Landung, sondern den Reiseflug. Gleichmäßig. In der Luft.
Kennen Sie das?
Ein Flugzeug fliegt nicht…
○ ohne Flügel
○ ohne Luft
○ ohne Geschwindigkeit
○ ohne Anstellwinkel der Flügel
○ ohne geeignete Steuerung
Ein Flugzeug fliegt, wenn
◉ es Flügel hat
◉ es Luft gibt
◉ es schnell genug ist
◉ die Flügel angestellt werden
◉ es passend gesteuert wird
Was weißt du schon?
Erklärung
Wie es zum dynamischen Auftrieb ganz genau kommt?
Je verständlicher die Erklärung ist, desto falscher. Das ist leider so, soll uns aber nicht daran hindern, die verschiedenen Erklärungen genauer anzusehen. Was sicher stimmt, ist folgendes:
Die Luft vor dem Flugzeug kommt gerade daher. Nach dem Flugzeug strömt sie nach unten weg. Weil nicht einfach etwas entstehen darf, was nach unten geht, muss eine Kraft entstehen, die das aufhebt. Der Auftrieb.
- Impulserhaltung: Masse und Geschwindigkeit der Luftteilchen bestimmen den Impuls. Wenn sich die Richtung der Luftteilchen nach dem Flugzeug geändert haben, ist ihr Impuls verändert worden. Das darf nicht ohne weiteres so sein. Nur wenn das Flugzeug nach oben gedrückt wird, bleibt der Impuls erhalten.
- Energieerhaltung: Die Luftteilchen bewegen sich an der Oberkante der Flügel schneller. Das wäre eine höhere Energie, die dort entsteht. Das darf nicht sein. Schnelle Strömungen haben einen geringeren Druck. So bleibt die Energie erhalten.
- Wirbelsätze: Hinter den Tragflächen bildet sich ein Wirbel, der zurückbleibt. Wirbel können aber nur paarweise entstehen. Um die Tragfläche herum entsteht ein weiterer Wirbel, der für den Auftrieb verantwortlich ist.
- Luftdruck: Über der Tragfläche ist ein geringerer Luftdruck als unter der Tragfläche. Das bedeutet eine resultierende Kraft nach oben – den Auftrieb.
Wikipedia Stichworte: Flugzeug, dynamischer Auftrieb, Stromlinien, Bernoulli-Effekt, Magnus-Effekt, Coanda-Effekt, Zirkulation, Wirbel, Erhaltungssätze, Impulserhaltung, Satz von Jutta-Joukovski, Tragfläche
Vier mögliche verständliche Erklärungen
1. Die “reflected stone theory”
Das ist die Newton’sche Erklärung.
Was richtig ist:
◉ der Anstellwinkel ist notwendig
Was nicht richtig ist:
○ der Auftrieb wird nur durch die Luft an der Unterseite des Flügels erzeugt
○ unterschiedliche Oberseiten sind egal – immer gleicher Auftrieb
Was nicht erklärt werden kann:
◉ durch ein aufsteigendes Flugzeug wird Abwind erzeugt, der nicht erklärt werden kann
◉ unterschiedliche Oberseiten ergeben unterschiedlichen Auftrieb
◉ Spoiler (aufgestellte Platten) entlang der Oberseite der Flügel den Auftrieb verändern können
Richtig wäre:
◉ wir müssen auch die Oberseite mit einbeziehen
◉ Auftrieb wird durch alles erzeugt, was den Luftfluss nach unten ablenkt
◉ auch durch die Oberseite wird der Luftfluss nach unten abgelenkt – sogar mehr
Was wir sicher sagen können:
Auftrieb entsteht durch alles, was die Luft nach unten ablenken kann. Das Flugzeug erhält eine Kraft nach oben, mit der es sein Gewicht aufheben kann. Das Ganze erfolgt dynamisch – in Bewegung.
Hinweis: Ganz falsch ist die Newton’sche Erklärung nicht. Bei hohen Geschwindigkeiten und geringer Luftdichte können nur wenige Teilchen in Kontakt mit der Oberseite der Tragfläche kommen, das meiste passiert unter der Tragfläche und die Vorhersagen stimmen – ein Space Shuttle in 50 Meilen Höhe und 10.000 mph beim Wiedereintritt.
2. Venturi-Erklärung
Eine zweite Erklärung ist ebenso nicht ganz richtig. Sie wird Venturi-Theorie genannt. Beim Fluss von Gas oder Flüssigkeit durch ein Rohr steigt die Geschwindigkeit, wenn das Rohr schmäler wird (Venturi Nozzle). Paradoxerweise sinkt der Druck in schnelleren Strömungen. Der “Satz von Bernoulli” beschreibt das Phänomen: “In schnelleren Strömungen herrscht Unterdruck.” An der Oberfläche der Tragfläche verdichtet sich durch die Wölbung die Luftströmung. “Der Luftdruck sinkt, das Flugzeug wird nach oben gesaugt.” – so die falsche Theorie.
Was richtig ist:
◉ Unterdruck an der Oberseite
◉ Die gekrümmte Oberfläche behindert den Luftstrom (Strömungslinien werden verdichtet)
Was nicht richtig ist:
○ Der Unterdruck an der Oberfläche ist groß genug, das Flugzeug fliegen zu lassen
○ Die Oberseite ist keine Venturi-Nozzle, wo ist die obere Seite?
○ Die Luft strömt nicht oben und unten gleich vorbei, wie gerne gesagt wird, um die höhere Geschwindigkeit oben (längerer Weg, gebogen) zu erklären, und dann Bernoulli mit dem Unterdruck zu bemühen.
Was nicht erklärt werden kann:
◉ Kunstflugzeuge können auch am Rücken fliegen – die würden abstürzen
◉ Die Vorhersage ist allgemein falsch für eine flache Platte als Flügel
◉ unterschiedliche Unterseiten ergeben unterschiedlichen Auftrieb
Richtig wäre:
◉ Auch die Erhaltung von Masse spielt eine Rolle, nicht nur die Impulserhaltung (Newton) und Erhaltung der Energie (Bernoulli)
Was wir sicher sagen können:
Der Satz von Bernoulli beschreibt richtig, dass in schnell strömenden Fluiden ein Unterdruck herrscht.
Hinweis: Die Annahme ist falsch, dass die gekrümmte Oberfläche die Geschwindigkeitsänderung bewirkt. Ab dann wäre Bernoulli mit seiner Erklärung schon richtig. Ingesamt: Die Vorhersage stimmt auch in der zweiten falschen Erklärung nicht.
3. Wirbel
Das ist eine ziemlich richtige Erklärung, wenn auch nicht sehr verständlich. Es entsteht eine Zirkulation – ein Wirbel – rechtsherum um den Flügel, wenn sich ein Wirbel linksherum an der Flügelkante ablöst und zurückbleibt. Helmholtzsche Wirbelsätze. Das Ganze kann mit einem Vektorfeld berechnet werden. In den Stromlinien liegt die gesamte Information für den Auftrieb. Es gibt einen Erhaltungssatz für Wirbel. Links- und- rechtsherum muss sich ausgleichen.
Problematisch: zweidimensional stimmt das alles (Flügelquerschnitt), dreidimensional nicht mehr ganz (der Flügel ist ja auch ziemlich lang).
4. Lufdruckunterschiede
Eine vierte Erklärung erfolgt durch Druckunterschiede der strömenden Luft an der Ober- und Unterseite einer gewölbten Tragfläche. Über die Richtung und die Länge der Pfeile in der folgenden Zeichnung müssten wir noch diskutieren – wesentlich ist aber der Unterschied. Oben ist weniger Luftdruck als unten. Unten gewinnt. Die Differenz ist der Auftrieb – der das Flugzeug leichter macht.
In Summe
Alles was den Luftstrom dreht, verursacht den dynamischen Auftrieb. Den brauchen wir, weil er das Gewicht des Flugzeugs aufhebt.
Eine Analyse der verschiedenen Erklärmodelle gibt es hier von Rita Wodzinski im Plus Lucis Magazin. Der Artikel ist für Lehrer:innen interessant, wir werden in hier vermutlich nicht vollständig verstehen.
Erweitern
Drei Achsen sind für den stabilen Flug von großer Bedeutung. Drei Arten von Ruder können den Luftstrom umlenken, sodass eine Drehung um die entsprechende Achse bewirkt wird.
Videos
Erklärung durch Stromlinien
Erklärung durch Unterschiede im Luftdruck
“Fliegen” auch ohne Antrieb
Auf die relative Windgeschwindigkeit kommt es an.
Immer noch interessiert?
- Wie fliegt ein Hubschrauber? Hubschrauberfliegen im Omega Tau Podcast, Folge 280.
- Papierflieger falten mit vielen Anleitungen. Link: https://www.foldnfly.com/
- Ein Skriptum mit Erklärungen zum Fliegen und Anleitungen für gut fliegende Papierflieger ist auf der Website von Werner Gruber zu finden. Link (PDF)
- App: Windtunnel, ermöglicht Strömungssimulationen
Text, Fotos, Illustrationen: Lothar Bodingbauer
Quelle/Hintergrund: https://www.grc.nasa.gov/www/k-12/airplane/
Alles gut? feedback@phyx.at
Stimmt was nicht? fehler@phyx.at
Mario Sedlak schreibt:
ich habe jetzt einmal genau verstehen wollen, wie ein Flugzeugflügel
Auftrieb erzeugt. Zu meiner Überraschung erwies sich das als gar nicht
so einfach. Selbst Experten sind sich darüber uneins. Hab da dann auch
deine Seite https://www.phyx.at/warum-fliegt-ein-flugzeug/ gefunden, die
die verschiedenen Theorien ja auch (gut) beschreibt. Nach meinen
Recherchen ist die falsche Theorie von der “gleichen Zeit ober- und
unterhalb” noch Anfang der 2000er Jahre relativ häufig gewesen. Ich hab
sie auch mehrmals gehört. Erst danach haben einige engagierte Physiker
den Irrtum aufklären können, aber es gibt bis heute Diskussionen über
die “richtige” Erklärung. Ich hab das auf meiner Webseite
https://sedl.at/Physik/Flugzeugfluegel zusammengefasst.
Die Bernoulli-Gleichung wird auch oft falsch angewandt. Sie gilt nämlich
so nur in Rohren. Im Freien passt sich der Druck der Strömung an den
Umgebungsdruck an. Z. B. herrscht im Strahl eines Föns *kein*
Unterdruck. Das dürfte sich noch nicht so viel herumgesprochen haben.
Ich hab in Schulbüchern und im Internet viele derartige Fehler gefunden.
Aufklärer kritisieren, dass dadurch die Schüler nicht zu einem richtigen
Verständnis kommen können. Im Freien entsteht Unterdruck, wenn die
Strömung in Richtung einer Oberfläche abgelenkt wird (Coanda-Effekt).
Auch dazu habe ich jetzt einige Webseiten geschrieben:
https://sedl.at/Bernoulli-Gleichung
Also der Satz “Der Satz von Bernoulli beschreibt richtig, dass in
schnell strömenden Fluiden ein Unterdruck herrscht.” könnte noch etwas
präzisiert werden. Z. B. wird die Geschwindigkeit, mit der sich ein
Flugzeug bewegt, gemessen, indem der statische und der dynamische Druck
verglichen wird. Der statische Druck kann relativ gut gemessen werden,
auch wenn die Luft mit 900 km/h am Flugzeug vorbeiströmt. Der statische
Druck der Luft sinkt in dem Fall *nicht*.
https://lss.fnal.gov/archive/2001/pub/Pub-01-036-E.pdf
(“Although the air passes over the static port at hundreds of miles per
hour, the correct pressure is still measured. Only when fast moving,
unconfined air bends is ps different from the surrounding environment.”)
Ich habe den unterschied zwichen der Ersten und der Dritten Theorie nicht ganz verstanden. In beiden wird der Luftdruckunterscheid als begründung genommen, weshalb ein Flugzeug fliegt, jedohch habe ich nicht mitbekommen worin der Unterschied besteht, wenn ihn mir jemand erklären könnte wäre es sehr nett. Danke
F.H. schreibt – vielen Dank für seine Anmerkungen:
“Zuerst einmal: Gratulation! Sie sind einer der Wenigen zu diesem Thema, der den dynamischen Auftrieb (mit der Hand aus dem fahrenden Bahnfenster) in seine Erklärung mit einbezieht.
Fast alle Anderen halten an der Venturi-Erklärung fest, deretwegen ich schon vor 45 Jahren mit meinem Physiklehrer in Streit geraten war.
Dabei ist das Phänomen des Fiegens doch relativ einfach erklärbar: Ein Flugzeug fliegt dann durch Auftrieb, wenn die Unterseite der Tragflächen in einem bestimmten Anstellwinkel (ca. 3°)
zur entgegenkommenden Luftmasse angestellt ist. Das beschreiben Sie auch mit einem wunderschönen Bild, erklären es jedoch falsch mit dem Satz: “Es (das Flugzeug) stellt die Tragflächen an.
Das bedeutet, die Tragflächen werden vorne nach oben gekippt.” Das wäre sehr aufwändig und technisch kaum umsetzbar. Dazu gibt es normalerweise ein Leitwerk, das über den Hebelarm des Rumpfes die
Tragfläche in genau diese Position “zwingt”. Das Zauberwort nennt sich “Einstellwinkeldifferenz”. Dabei ist es erst einmal völlig egal, ob es sich bei der auftriebsproduzierenden Tragfläche um ein typisches
asymmetrisch gewölbtes Flugzeugprofil, ein symmetrisches oder nur ein “Brett” ohne jede Wölbung handelt. Solange das Leitwerk zur Tragfläche eine EWD von ca. 3° aufweist, wird diese den benötigten
Auftrieb erzeugen, egal in welcher Fluglage, selbst im stationären Rückenflug. Vorrausetzung: Geschwindigkeit! Entweder durch Vortrieb (Motor) oder durch Erdanziehung (Gleitflug).
Modellflieger kennen den Effekt mit zu kleiner EWD und sagen dann: “Das Flugzeug unterschneidet”, wenn es aus der Hand gestartet nicht gleitet, sondern sich in einem steilen Winkel in die Erde bohrt.
Bei Nurflügeln ohne Rumpf wird die EWD durch eine extreme Verwindung des äußeren Profiles erzwungen.”