Nein, müssen Sie nicht. Wir sollten uns aber ganz genau ansehen, wer wofür zuständig ist. Wir machen das in fünf Schritten und brauchen dazu etwa eine Doppelstunde Zeit. Wir lernen dabei, dass nichts beweisbar ist, aber einige Erklärungen die Dinge besser beschreiben, als andere.

Schritt 1: Alles oder nichts?

Wo befindet sich die Wissenschaft?

Alles was es gibt, ist im dunkelblauen Bereich. Darin befindet sich ein heller umgrenzter Bereich.

Frage: Wo befindet sich die Wissenschaft? Außen, oder innen?

Rundherum ist nichts. Das sollte auch einmal gesagt sein. Das, was nicht existiert. Das, was es nicht gibt. Kann man sich schwer vorstellen. Ist aber so, wie das, was Sie gerade hinter ich sehen, ohne sich umzudrehen. Nichts – die Augen sind ja vorne. Es ist dieses Nichts, das Blinde von Geburt an sehen. Nichts. Es ist nicht das Nichts, das wir sehen, wenn wir die Augen schließen. Das wäre das andere nichts, aber das ist hier nicht gemeint.

Antwort: Die Wissenschaft ist innerhalb des umgrenzten Bereichs. Sie ist ein Ausschnitt von Allem, der “vier Kriterien der Wissenschaftlichkeit” erfüllt. So wie Ja!Natürlich eine Marke für Biolebensmittel ist. Freilaufende Hühner, glückliche Bauern, keine Chemie. Ntürlich gibt es auch anderes Essen – es ist halt nur nicht Bio. Genauso ist es mit der Wissenschaft. Natürlich gibt es viel in diese Welt, es ist nicht alles Wissenschaft.

Die vier Kriterien der Wissenschaft.

Wissenschaft ist messbar: Entweder gibt es Zahlen als Messwerte, oder Begriffe wie “gut”, “sehr gut”, “nicht so”. Wie beim Essen. Das Kochen ist eine Wissenschaft, das Essen ist die Messung.

Wissenschaft ist wiederholbar: Von dir, von mir, von Onkel Fritz. Alle können es tun. Sie ist wiederholbar morgen, übermorgen, oder erst in einem Jahr. Immer können wir es tun. Und sie ist wiederholbar hier, dort, und in Australien (dort wohnt Onkel Fritz). Überall können wir es tun.

Wissenschaft ist vorhersagbar: Ein Flugzeug wird nach wissenschaftlichen Kriterien konstruiert. Wir wissen, dass es fliegen wird. Fluggesellschaften veröffentlichen sogar Flugpläne, die die zukünftige Ankunft garantieren. Sollte es einmal nicht klappen, dann gibt es immer einen Grund, nach dem alle suchen.

Wissenschaft ist widerspruchsfrei: Meine Theorie kann nicht gleichzeitig sagen, die Sonne ist gelb und die Sonne ist grün. Das wäre ein Widerspruch (das Wort mit dem “kurzen I”). Wenn mehrere Wissenschaftler:innen Unterschiedliches sagen, müssen sie solange miteinander reden, bis sie einer Meinung sind, oder zumindest ihre Unterschiede kennen.

Hinweis: Wissenschaftler:innen sind keine schlechten Menschen, sie müssen streiten, weil es sonst nicht wissenschaftlich wäre. Wir werden später darauf zurückkommen.

Schritt 2: Gibt es Geister?

Wenn ja, sind Sie sich sicher? Wenn nein, sind Sie sich sicher?

Wo wären Geister zuhause? Im Bereich der Wissenschaft? Oder im Rest.

Wenn es Geister gäbe, wären sie nicht im wissenschaftlichen Bereich zuhause. Weil dann könnten wir sie messen (sehen, riechen, schmecken), wir könnten sie immer wieder sehen, und wir könnten vorhersagen, wann sie kommen. Und wir wären uns sicher.

Da wir das aber nicht sind, geben wir die Geister in alles – außerhalb der Wissenschaft. Es kann wirklich sein, dass es sie gibt, wer weiß, aber vielleicht auch nicht. Vielleicht sehen wir sie erst morgen, aber eben nur vielleicht. Wenn es sicher wäre, dann wäre es Wissenschaft.

Hinweis: Durch Werbung versuchen einige Firmen mit ihren Produkten, wissenschaftlich zu wirken. Wir haben sind nämlich an das Leben mit Wissenschaft so gewöhnt, dass wir ganz intuitiv ihr vertrauen. Wer er schafft, mit sonderbaren Produkten trotzdem wissenschaftlich zu wirken, kann damit viele $$$ verdienen. Beispiele finden sich in der Werbung – Zahncreme vorgestellt durch Menschen in weißen Mänteln, Hautcreme durch klinisch rein wirkende Döschen und Apotheken, Trinkjoghurt, mit dem man dann – angeblich wissenschaftlich bewiesen – sehr gut aufs Klo gehen kann. Wenn das so wäre, müsste der Effekt messbar sein. Aber wie messen Sie “gut aufs Klo gehen”? Ein besonderer Fall ist Homöopathie, die Behandlung von Krankheiten mit stark verdünnten Wirkstoffen. Es ist sehr in Ordnung, daran zu glauben, es kann sein, dass es bei Ihnen funktioniert. Angeblich auch bei Kühen. Aber es gibt Probleme mit der Messbarkeit und der Vorhersagbarkeit, auch mit der Wiederholbarkeit. Was dem Ganzen keinen Abbruch tun muss – es ist halt nur nicht wissenschaftlich. So what.

Übrigens: Da im Bereich außerhalb der Wissenschaft wirklich alles ist, dürfen wir dort auch Gott hingeben. Sehr gerne.

Schritt 3: Die Sache mit der Beweisbarkeit

Es. Gibt. Keine. Beweise.

So klar uns Wissenschaft erscheint, so wichtig ist folgendes festzuhalten: Es gibt keine 100%-igen Beweise. Jede Aussage der Wissenschaft könnte auch nicht stimmen. Es gibt nur Hinweise. Man kann durch ein Experiment nichts beweisen, sondern nur zeigen. Wo liegt der Unterschied? Wenn ich Ihnen beweisen möchte, dass Schafe weiß sind, müsste ich Ihnen jedes Schaf im Universum zeigen. Das gelingt mir nicht. Ich muss irgendwann darauf vertrauen, dass Sie mir glauben. Aber: Jede Aussage der Wissenschaft kann zu 100% widerlegt werden. Das Wort mit dem “kurzen I” – im Sinne von “gegen”. Wenn Sie mir ein schwarzes Schaf zeigen, ist meine Theorie der weißen Schafe tot. Ganz.

Ist das nicht komisch? Wir können nicht zu 100% beweisen, sondern zu 100% widerlegen? Misstrauen Sie also allen, die sagen, “die Wissenschaft” hat bewiesen. Es geht nicht. Es braucht auch nicht zu gehen. Man muss es nur wissen.

Glauben: alles was nicht Wissen ist. Ist voll OK.

Abschließend halten wir fest: Zu dem, was sich im Inneren Bereich befindet, im Teil des Lebens, der sich nach den vier wissenschaftlichen Kriterien verhält, sagen wir “wissen”. Wir wissen es, obwohl es nicht zu 100% beweisbar ist. Wir sagen es aber so. Zu allem, was sich außerhalb dieses Bereiches befindet, sagen wir “glauben”. Einfach um den Unterschied in der passenden Wortwahl auszudrücken. Es ist keine Wertung. Glauben gehört zum Leben wie das Wissen.

Wir glauben an Gott. Wir beschäftigen uns mit Wissenschaft. Manche mehr das eine. Manche mehr das andere. Manche machen beides gleich. Und manche machen nichts.

Schritt 4: Noch was?

Ja. Nur um sicher zu sein, was das für eine Auswirkung hat, was wir gerade gelernt haben. Schauen wir uns noch die Worte an, mit denen wir uns über die Welt unterhalten.

Eine Aussage ist … alles, was sich sagen lässt. Diese Klasse ist honk. Es ist heiß. Schizngrimm. Ich bin schwerelos. – Kann Sinn machen, muss aber nicht.

Eine Behauptung ist … eine Aussage mit Wahrheitsanspruch. Ich möchte, dass Sie meine Aussage für wahr halten. Ich habe viel Geld. Die Schwerkraft lässt den Apfel fallen. Der Ball ist rund.

Da wir in der Wissenschaft aber keine Behauptung beweisen können, bleibt es dabei. Alles, was wir sagen, was wir als Merksätze in Bücher drucken. Alles, was wir als Sicher weitergeben, sind Behauptungen, die nicht zu 100% beweisbar, aber zu 100% widerlegbar. Darin liegt die Stärke der Wissenschaft, und nicht eine Schwäche.

Hinweis: Behauptungen der Wissenschaft werden auch Hypothesen genannt. Es ist aber genau das selbe. Mehre Behauptungen/Hypothesen heißen “Theorie”. In der Sozialwissenschaft sagt man auch “Thesen”. Axiome sind mehrere Behauptungen, die sehr grundlegend sind. Man kann sie nicht beweisen, aber das ganze Argumentationsgebäude würde schwanken, wenn eine davon nicht stimmt, alles ist zum Beispiel in der Mathematik auf solche Axiome aufgebaut.

Jede Aussage der Wissenschaft gilt nur so lange, bis ein anderer daherkommt und etwa Besseres behauptet.

Und überhaupt:

Physik ist die Suche nach der besten Geschichte. Sie ist vielleicht auch die Suche nach der Wahrheit.

Keine physikalische Geschichte ist beweisbar. Es gibt aber schon welche, die ganz gut erklären, was wir sehen, fühlen denken. Was wir vom Universum als richtig halten. Den Urknall zum Beispiel. Was für eine Idee. Vor 13,8 Milliarden Jahre. Hinweise darauf sind die Kosmische Hintergrundstrahlung und die Rotverschiebung der Galaxien. Aber keine Beweise. Haben Sie eine bessere Geschichte?

Mit dieser fehlenden Beweisbarkeit haben wir Flugzeuge gebaut. Wir haben über die Welt erfahren. Wir haben die Entwicklung der Arten erklärt – die Evolution. Vielleicht gibt es bessere Geschichten, vielleicht kennen Sie eine bessere Geschichte? Nur zu. Wissenschaft kann jede:r.

Die Sonne erzeugt Licht durch das Verschmelzen von Wasserstoff zu Helium. Wir wissen das, weil wir die Farben des Lichts messen können. Wir können auch auf der Erde Wasserstoff zum Leuchten bringen, und er wird die selbe Farbe haben, wie das gemessene Licht der Sonne. Das deutet darauf hin, dass es Wasserstoff auf der Sonne gibt. Es gibt auch Rechnungen dazu, und es haben viele Leute versucht, diese Erklärung zu widerlegen. Es ist ihnen nicht gelungen. Also finden wir – wir wissen es – es passt.

Schritt 5: Vom Warum zum Wie

Wenn wir nun erfahren haben, dass wir nichts beweisen können, können wir auch unsere Fragen anpassen.

Warum ist der Himmel blau? Warum gibt es Käfer? Warum weht der Wind?

  • Keine Antwort ist beweisbar.
  • Jede Frage kann auch beantwortet werden mit: “… weil ein Außerirdischer einen blauen Knopf drückt”.

Diese Fragen kann man schon halbwegs beantworten, damit man zufrieden ist. Besser wäre aber vielleicht, diese Fragen in Wie-Fragen umzuwandeln.

Wie ist der Himmel? Blau. Wie sind Käfer? Wie weht der Wind?

Dann können wir beschreiben. Und das gelingt uns immer.

Übungen:

  1. Zeige, dass die Konstruktion von Flugzeugen wissenschaftliche Kriterien erfüllt.
  2. Zeige, dass das Vorhersagen der Lottozahlen durch ein Pendel keine wissenschaftlichen Kriterien erfüllt.
  3. Erfinde eine schönere Geschichte, als die, dass die Erde eine Scheibe ist, und versuche sie zu begründen.
  4. Erfinde eine Geschichte, dass wir im Inneren einer Hohlwelt leben, und versuche sie zu begründen.
  5. Finde die grundlegenden Behauptungen der Evolutionstheorie. Diskutiere sie zuerst mit Freunden. Und dann mit Feinden.
  6. Finde grundlegende Behauptungen zur Schwerkraft. Diskutiere sie zuerst mit Freunden. Finde “Feinde”, die etwas anderes behaupten, und versuche sie zu überzeugen.
  7. Menschen sind am Klimawandel beteiligt. Kannst du das beweisen? Wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht?
  8. In Computersimulationen kann man zeigen, dass ohne Menschen das Klima die letzten 100 Jahre nicht wärmer geworden wäre. Was bedeutet das für dich persönlich?
  9. Finde Berichte über “Wunder” und begründe, warum diese Berichte aus dem Bereich des Glaubens kommen. Was sollen diese Berichte bewirken?
  10. Finde Berichte über das Begründen von Wunder auf wissenschaftliche Art. Warum kann man nicht beweisen, dass es keine Wunder gibt?
  11. Zusammenschau: Definiere Gott für dich. Definiere Geister für dich. Und definiere Wissenschaft für dich. Wie möchtest du in Zukunft damit umgehen?
  12. Sammle viele typische Warum-Fragen von Menschen und versuche sie in Wie-Fragen umzuformulieren. Beispiel: Warum gibt es Krieg? –> Wie ist Krieg?