Ein Urlaub in Atto-World dauert den Bruchteil einer Sekunde

Milli, Mikro, Nano, Piko, Femto, Atto. Was sich wie ein Countdown anhört sind die physikalischen Stufen hinunter ins Kleinste. Eine Attosekunde ist ein Tausendstel eines Tausendstels eines Tausendstel eines Tausendstel eines Tausendstel eines Tausendstel einer Sekunde: 10–18. Ein Lichtstrahl käme in dieser Zeit nicht einmal eine Bakterienlänge weit, und könnte die Küchenwaage ein Attogramm anzeigen, würde sie das Landen eines Virus anzeigen.

Wenn Sie in die Attowelt hinuntersteigen, sehen Sie alles riesig groß. Hundert Millionen Atome hätten nebeneinander in einem Attometer Platz. Einige Attosekunden werden benötigt, um in Atomen Energien umzulagern. Chemische Bindungen entstehen in dieser Geschwindigkeit. Alles geht so rasch vor sich, dass einer, der nach Atto-World reist, mit vielerlei technischen Tricks die Zeit auflösen muss, um dieses schnelle Leben dort zu sehen.

Was früher aussichtslos erschien, ist durch die Entwicklung von Elektronik, Optik, Computer und Feinmechanik heute machbar: Attowissenschaftler messen Kräfte im Attonewtonbereich, die nicht ausreichen, um ein Molekül zu heben. Sie entwickeln Reagenzgläser, die einige Attoliter fassen.

Ein normales Blitzlicht dauerte eine Ewigkeit, im Vergleich zu den ultrakurzen Lichtblitzen von 650 Attosekunden Dauer, die Ferenc Krausz 1997 an der Technischen Universität Wien hergestellt hat. Der Blitz war kurz, doch vier Jahre dauerte es, zu beweisen, dass es wirklich passierte. Krausz musste mit seinem Team erst eine Attosekunden-Stoppuhr entwicklen. Heute ist Ferenc Krausz Direktor eines eigenen Forschungsinstitutes, dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching. Die Ergebnisse seiner ultrakurzen Lichtblitze haben sich zu einem eigenen Forschungsgebiet ausgeweitet: „Electrons in Motion“. Laserstrahlen werden verwendet, um die Bewegungen einzelne Elektronen zu steuern und sie dabei zu beobachten.

Anwendungen ergeben sich parallel zum Forschungsfortschritt: Die Chemiker sind interessiert, sie würden die Knüpfung chemischer Bindungen besser verstehen. Die Nanotechnologie ist interessiert, weil sie gezielt in großen Molekülen Umgruppierungen vornehmen will. Viele Krankheiten könnten schneller diagnostiziert werden, da Viren Antikörper aufnehmen, und dabei etwas schwerer werden. Ein Traum wäre, Röntgenstrahlen zu erzeugen, die lernen, ihre Empfindlichkeit auf das zu untersuchende Material abzustimmen, und das übrige Gewebe zu schonen.

Wem aber nun selbst die Attowelt zu groß ist, könnte in Zukunft noch tiefer ins Kleine zoomen. Der nächste Schritt ist die Reise in die Zeptowelt. Nukleare Reaktionen finden in 1o–21 Sekunden statt. Nicht zu vergessen: die Yoktowelt: 1o–24. Ein Proton wiegt ungefährt 1,7 Yoktogramm, und das mächtige Top-Quark, ein Elementarteilchen, lebt und stirbt in nur 0,4 Yoktosekunden. Und wie gehtʼs weiter?

Quelle: Lothar Bodingbauer, Wissen auf unsere großen Fragen. Styria 2007