Wer schon einmal einen Hund an der Leine gehabt hat, der ordentlich zieht, kennt, wie er dabei aussieht. Er stemmt sich mit den vier Beinen in den Boden und wirft seinen ganzen Körper gegen die Leine nach vorne zum Boden. Bei Zugtieren wird dieses Ziehen ausgenutzt, zum Beispiel beim Pferd. Dazu braucht es kein Halsband, an der die Leine befestigt ist, das würde sie würgen, sondern ein sogenanntes “Geschirr”.

Bearbeitet von Elisabeth

fragenantwortenWas ist das für eine Erfindung und woraus besteht sie?

Das Pferdegeschirr ist eine Vorrichtung um ein oder mehrere Pferde (oder auch andere Zugtiere) vor Karren, Kutschen oder anderen Lasten (z.B. Baumstämme) zu spannen, damit diese von den Tieren gezogen werden können. Die Zugtiere werden dabei von einem Menschen über Zügel und Halfter gelenkt bzw. geführt.  Ein  Pferdegeschirr besteht aus mehren Teilen: Zügel, Halfter und meistens aus dem Brustblattgeschirr. Dieses Brustblattgeschirr besteht aus dem Brustblatt, das über die Brust des Zugtieres gelegt ist und die seitlich angebrachten Zugstränge sowie dem Selett, das am Rücken des Pferdes liegt , einem Bauchgurt und einem Schweifriemen. Bei Pferden verwendete man früher auch das Kumt, vor allem in der Landwirtschaft. Das ist ein wesentlich schwereres Pferdegeschirr, das aus vielen Einzelteilen besteht (Kumtkissen, Kumtbügel, Kumtspitze, Schlusskette). Damit können Pferde vor allem vor schwere Lasten gespannt werden. Es gibt auch noch das sogenannte Joch, dass bei Hornträgern benutzt wird. Dieses wird über die Stirn eines Zugtieres (Ochse) gelegt.

Das Pferdegeschirr sichert die Verbindung zwischen Zugtier und Karren. (Historisches Foto, Quelle unbekannt)

Das Pferdegeschirr sichert die Verbindung zwischen Zugtier und Karren. (Historisches Foto, Quelle unbekannt)

Gibt es ein Beispiel für den Einsatz dieser Erfindung?

Fiaker in der Innenstadt von Wien, Trabrennsport, Kutschenparaden, Lastentransport durch unwegsames Gelände, Bearbeitung von landwirtschaftlich genutzen Flächen in den Bergen.

Was sind die Vorteile dieser Erfindung?

Sie sichert die Verbindung zwischen Zugtier und Last. Die Zugkraft der Pferde wird durch das Pferdegeschirr für Lastentransporte ausgenützt. Sie erleichtert zusätzlich die Kontrolle über die Zugtiere (Führen, Lenken)

Was sind die Vorteile dieser Erfindung für ein ganzes Land?

Transporte, vor allem aus Gegenden, die nicht von motorisierten Fahrzeugen angefahren werden können, zum Beispiel Wälder in steilem Gelände, werden sicherer und schneller durchgeführt. Der Tourismus profitiert vom Angebot von Kutschenfahrten von und zu interessanten Plätzen.

Was sind die Nachteile dieser Erfindung?

Pferde werden belastet. Gutes Pferdegeschirr ist kostspielig, denn es muss an das jeweilige Pferd oder Zugtier angepasst werden, damit das Tier nicht unnötig belastet wird, es keine Druckstellen bekommt und seine volle Zugkraft genützt werden kann.

Wer kann diese Erfindung betreiben bzw. benützen?

Pferdebesitzer, die ihre Tiere vor Kutschen oder Karren spannen möchten, Trabrennsportler, Bergbauern, Waldarbeiter.

Gibt es Alternativen, falls es diese Erfindungen nicht gäbe?

Nein.

Gibt es Gefahren, die im Einsatz dieser Erfindung für den Einzelnen und die Gesellschaft entstehen können?

Nein. Nur, wenn das Pferdegeschirr nicht fachgerecht hergestellt und angelegt wird, kann das Pferd seine Kraft nicht optimal einsetzen. Es bekommt eventuell Druckstellen von falsch eingestellten Riemen und muss tierärztlich versorgt werden. Es entstehen unnötige Kosten.

Woraus besteht diese Erfindung?

Bei der Herstellung des Pferdegeschirrs werden eine Vielzahl von Materialien verwendet. Bis zu 20 verschiedene Lederarten (Rindsleder in verschiedenen Stärken, Schweineleder), Beschläge aus Metall, Fäden, Garne, Stoffe, Füllmaterialen (von Schafwolle bis Stroh), Kleber, Leim.

Welche Technologien müssen bekannt sein, damit die Erfindung hergestellt werden kann?

Holzverarbeitung, Metallverarbeitung, Lederherstellung (Bearbeitung von Tierhäuten, Gerben, Verarbeitung), Seilherstellung, Herstellung von Textilien

Pferdegeschirr aus dem 19. Jahrhundert im Pferdestall des Schloss Ussé in Frankreich. Foto: Elisabeth Kiss-Horvath.

Pferdegeschirr aus dem 19. Jahrhundert im Pferdestall des Schloss Ussé in Frankreich. Foto: Elisabeth Kiss-Horvath.

Welche Teilerfindungen mussten bereits gemacht werden, damit die Erfindung betrieben werden kann?

  • Pferde einfangen und zähmen
  • Lederherstellung und -verarbeitung (Gerben, Färben, Nähen)
  • Metallherstellung und – verarbeitung
  • Textilverarbeitung
  • eventuell Kunststoffherstellung und -verarbeitung

Hat sich die Erfindung plötzlich ergeben, oder wurde sie über lange Zeit verbessert und perfektioniert?

Das Pferdegeschirr wurde bereits 500 v. Chr.  in China erfunden. Zunächst wurden in Mitteleuropa nur Ochsen oder Kühe eingespannt,  erst später, ca. 1000 n. Chr. wurden Pferde eingesetzt. Das Pferdegeschirr war teurer als das Joch für die Ochsen. Die kräftigeren Pferde lieferten aber höhere Erträge und lösten schließlich die Ochsen ab. Das Pferdegeschirr blickt auf eine lange Entwicklungsgeschichte zurück und ist in seiner Weiterentwicklung noch nicht am Ende. Das Marathonkumt, das im Pferdesport verwendet wird, besteht hauptsächlich aus Kunststoff. Das Marathonkumt ist eine Kombination aus Kumt und Brustblattgeschirr, es verteilt die Zuglast optimal auf  Schultern und Rücken des Pferdes.

Gibt es irgendeine verbesserte Version dieser Erfindung, oder wird es die vielleicht geben? Wie könnte sie aussehen?

Das Pferdegeschirr ist heute zwar recht ausgereift, es gibt aber laufend Verbesserungsmöglichkeiten im Hinblick auf Materialverarbeitung und Materialauswahl. Selbst wenn sich für manche Geschirre, etwa im Pferdesport, die Produktion aus Kunststoff anbietet – auch wegen der leichteren Reinigung und Pflege – ist der Einsatz von Leder als Material einfach die bessere Wahl. Leder passt sich besser an das Pferd an und ist bei richtiger Pflege sehr strapazierfähig und langlebig.

 


 

 

interview

Gespräch mit Markus Maislinger von der Aschenbach Sattlerei Hama in Lochen/Tirol.

Das Pferdegeschirr wird maßangefertigt. Fahren Sie zum Pferd, um es abzumessen, oder reichen Ihnen die vom Besitzer genommenen Maße?

Beides ist möglich, je nach Erfahrung des Pferdebesitzers. Wenn jemand viel Erfahrung hat, dann weiß der auch, welche Maße ich brauche. Aber bei Anfängern, da fahr ich lieber selber hin. Außerdem gibt es so viele verschiedene Varianten von Geschirren, da muss man schon genau informiert sein und werden. Je nachdem für welche Arbeit das Pferd verrichten soll, hängt davon die Art des Geschirrs ab. Ein Einspänner, bei dem das Pferd zwischen den Anzen eingehängt wird, braucht es ein anderes Geschirr, als bei einem Zwei- oder gar Vierspänner.

Es gibt viele und gute Bücher, die sich teilweise mit einer einzigen Geschirrart beschäftigen. Das Handwerk ist schon so alt und hat eine lange Geschichte, da gibt es wirklich sehr viel, das man machen. Mit Kunden muss genau geklärt werden, was sie wollen. Das fängt beim Kumtgeschirr an oder ein Brustblattgeschirr, ein Prunkgeschirr mit Spitzkummet und so weiter. Dann die verschiedenen Beschläge, Muster, Verziehrungen und dann noch die Farben …

Gibt es Pferderassen die nicht für ein Pferdegeschirr geeignet sind oder sind alle Pferde als Zugpferde geeignet?

Es gibt für jedes Pferd den richtigen Wagen. Für die Prunkkutschen des Kaiserhofes etwa wurden eigene Pferde gezüchtet. Die Hackney Pferde sind Kutschpferde, repräsentativ und groß. Ein Sulky, also ein ganz leichtes Sportgerät, braucht kein so großes Pferd, dafür aber ein spritzigeres.

Woraus fertigen Sie ihre Pferdegeschirre, welche Materialien werden bei Ihnen verwendet?

Also bei uns in der Werkstatt liegen bis zu 20 Lederarten auf Lager, dann natürlich die Beschläge, Füllmaterial zum Beispiel Schafwolle, Tierhaare, also Rehhaare, Rosshaare natürlich oder Stroh, dann natürlich Kleber, Faden und Garne, Stoffe aus Baumwolle, Leinen, Hanf, usw. Wir legen großen Wert auf Naturmaterialien.

Warum Stroh?

Es gibt kein Material, dass sich so gut an das Pferd anpasst wie Stroh.

Wie lange dauert die Anfertigung eines Pferdegeschirrs und was kann es kosten?

Also wir haben Geschirre so ab 2500,- Euro. Das wäre ein Englisches Kummet, das liegt beim Pferd um den Hals. Wie lange wir an einem Geschirr arbeiten, kann ich wirklich nicht angeben, weil es natürlich auf die Ausführung ankommt.

Wie kamen Sie zu ihrem Beruf? Gibt es “Nachwuchs”?

Da bin ich familiär vorbelastet, mein Urgroßvater war schon Sattler, mein Großvater und dann mein Vater. Und jetzt ich. Ich liebe dieses Handwerk, das ja schon sehr alt ist. Die Nachfrage nach Lehrstellen ist sehr hoch, ich habe heuer bereits 10 Anfragen bekommen. Das Handwerk ist wieder im Kommen Es ist ja ein auch sehr schöner Beruf.

Werden noch viele Pferdegeschirre gekauft?

Der Trend geht wieder weg vom Auto hin zu einem beständigeren Fuhrwerk, das kann ich vor allem hier im ländlichen Raum beobachten. Die Nachfrage steigt stetig. Da gibt’s zum Beispiel diese Familie, die bearbeiten einen Acker hinter dem Haus oben am Berg mit Pferden und können vom Ertrag sehr gut leben. Die können dort keinen Traktor verwenden, die haben halt Pferde. Oder Familien, in denen das Töchterchen reiten lernen will, sich ein Pferd wünscht, es auch bekommt. Sie wird aber älter und lässt das Reiten sein. Das Pferd wird dann halt nicht mehr geritten, sondern erhält eine andere Aufgabe, nämlich die Kutsche der Eltern zu ziehen.

Welche Maschinen verwenden Sie zur Herstellung eines Pferdegeschirrs?

Maschinen zur Bearbeitung von Leder, verschiedenste Nähmaschinen, Schneide- und Spaltmaschinen, Schärfmaschine, Stanzenmaschinen und natürlich kleine Handwerksmaschinen und Handwerkzeuge.

 


 

raetsel“Ich bin eine Erfindung”. Ratespiel mit Fragen, die nur mit “ja” oder “nein” beantworten können. In Klammer die Interpretation, worum es bei der Frage eigentlich gegangen sein könnte.

Und so ist dieses Spiel bei Elisabeth verlaufen.

  1. Habe ich das bei mir zu Hause? (Alltagstauglichkeit)
  2. Kann ich es tragen? (Alltagstauglichkeit, Ortsabhängigkeit)
  3. Kann ich es anwenden? (Anwendungsgebiet)
  4. Brauche ich eine Ausbildung, um es anwenden zu können? (Spezialisierung)
  5. Muss ich geschickt sein, um es anwenden zu können? (Anwendungbarkeit, Alltagstauglichkeit)
  6. Gibt es das heute noch? (Zeiteingrenzung)
  7. Ist es aus Holz, Textil, Metall, Leder? (Materialeingrenzung)
  8. Kann ich es sehen, größer als ein Schrank, größer als eine Schuhschachtel? (Orts-, Größenbestimmung)
  9. Brauche ich eine handwerkliche, technische, intellektuelle Ausbildung, um es anwenden zu können? (Anwendungsgebiet)
  10. Brauche ich es in einem Dienstleistungsberuf? (Eingrenzung)
  11. Brauche ich noch etwas anderes, um es anwenden zu können? (Anwendungsgebiet)
  12. Brauche ich ein Gerät, ein Tier? (Eingrenzungen auf Anwendungsgebiet)
  13. Kann ich damit etwas heben, drücken, ziehen? (Eingrenzung auf Anwendungsgebiet)
  14. Brauche ich es, um mit dem Tier etwas zu ziehen? (Absicherung)

Pferdegeschirr!