Michael Müller: Ideenfindung, Problemlösen, Innovation. Publicis Verlag Erlangen, 2011
… haben gleich einmal etwas mit dem Erkennen des Systems zu tun. Michael Müller hat im Publicis-Verlag ein hübsches Buch dazu geschrieben: “Ideenfindung, Problemlösen, Innvoation”. Einige Punkte daraus möchten wir hier vorstellen, weil sie sich ausgezeichnet dazu eignen, auch in der Schule verwendet zu werden.
Um für ein Problem eine Lösung zu finden, müssen wir zuenächst das System beschreiben und erkennen. Dazu sind unter anderem Freihandskizzen eine gute Idee, aber grundsätzlich gibt es vier Methoden, ein System zu erklären:
Die historische Methode. Wie hat sich das alles im Laufe der Geschichte entwickelt.
Die pragmatische Methode. Wie gehe ich selbst – privat – damit um.
Der pädagogische Ansatz. Den Kern deutlich machen.
Die funktionale Methode. Was ist die angestrebte Funktion, die sichtbaren Strukturen sind da Mittel zum Zweck. Diese Methode ignoriert die historische Entwicklung, meint Michael Müller.
Ohne Herz geht es dabei nicht, man muss erst seine Liebe zum Problem erkennen, um es zu lösen.
Schillern, strahlen, leuchten. Die Physikerin Ille Gebeshuber erzählt, wie es dazu kommt. Ausgestrahlt im ORF Österreich Radioprogramm Vom Leben der Natur, ab 30.01.2017.
Pech ist fest, brüchig, aber zugleich langsam fließend: 1927 gab Thomas Parnell an der Universität Queensland etwas Pech in einen Glastrichter. Das Experiment bestand darin zu warten: Alle neun Jahre kam ein Tröpfchen aus dem Trichter heraus. Das Experiment läuft heute noch. Zwar kein Experiment, aber ein Orgelwerk von John Cage, das 639 Jahre dauert: ORGAN2/ASLSP. Es ist derzeit im deutschen Kloster St. Burchadi zu Halberstadt zu hören. Seit dem 5. Februar 2003 erklingt der erste Akkord: ein gis‘, ein gis‘‘ und ein h‘, am 5. Juli 2004 kamen ein e und ein e‘ dazu. Am 5. Juli 2005 um 16.33 Uhr haben sich das gis‘ und das h‘ für lange Zeit verabschiedet. Der letzte Klangwechsel war am 5. Oktober 2013, der nächste kommt am 5. September 2020. Das Werk endet im Jahr 2642.
Leistung, Energie, die Kraft und Arbeit. Alles das gleiche?
No way. Wir unterscheiden ganz genau. Am besten an einem Beispiel. Drei Bücher liegen am Boden. Sie gehören zurück ins Regal.
Um die Bücher zu heben, brauchen wir Kraft. „Yeah“. Das spüren wir in den Muskeln. Die Kraft beschleunigt die Bücher, damit wir sie hochheben können, gegen die Schwerkraft. Die Kombination aus Kraft und Weg bezeichnen wir als „Ächz“. Und das ist Arbeit. Diese Arbeit steckt dann auch wirklich in den Büchern, wenn sie im Regal stehen. Sie ist nicht verloren und heißt dann ganz einfach Energie. Sie wird frei, wenn die Bücher wieder zu Boden fallen. „Au“.
Das war’s?
Fast. Wenn zusätzlich die Zeit eine Rolle spielt, in der wir die Bücher heben, dann heißt das Leistung. Je schneller wir diese Arbeit schaffen, desto größer ist die Leistung. Und das heißt: „Wow“. Leistung ist Energieumsatz pro Zeit.
Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. Wann bricht der Krug? Dieses Sprichwort hat viel mit Physik und Chemie zu tun. Wir probieren hier eine Annäherung.
Viele Sprichwörter haben gute wissenschaftliche Gründe, Fragen, die man stellen kann. Antworten sind gut zu finden. Ein Krug hält ja irgendwie zusammen. Wenn er das nicht mehr tut, gibt es einen Grund. Kräfte. Energie. Erhaltungssätze. Wunderbare Anwendungen für Gelerntes tun sich auf. Was fällt Ihnen ein?
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Warum glänzt Gold?
In der Nacht sind alle Katzen grau. Welche Farben haben Katzen? (Wie würde eine Stealth-Katze aussehen, die auch von infrarotstrahlensehenden Schlangen nicht erkannt wird?)
Es gibt viele Sprichwörter, die sich eignen, untersucht zu werden. Die folgenden hier beginnen mit “A”.
Wie würde man so ein Thema bearbeiten? Sicher einmal das Sprichwort nennen. Dann beschreiben, was es aussagt. Dann, was das Besondere daran ist. Dann, wo Physik versteckt ist. Dann, warum die besondere Physik dahinter zum Sprichwort führt. Dann hat man es verstanden.
Wie finde ich eine Frage für die Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA)?
Stellen Sie doch eine Frage an die Natur. Eine, die Sie im Idealfall interessiert. Keine, die Sie sich wo abschauen. Eine, die Sie selbst hier und jetzt aufschreiben. – Aufgeschrieben? Dann fangen wir an. Ziel ist nun, zu schauen, ob sie funktionieren wird. Und wie die Natur sie beantworten wird – und nicht Sie.
1. Zuerst arbeiten wir gleich mal an der Frage. Dazu beantworten wir Folgendes:
“Eignet sich meine Forschungsfrage für eine Vorwissenschaftliche Arbeit?”
Sie erkennen das, indem Sie folgende fünf Punkte beantworten können:
Wie lautet das Themengebiet?
Wie lautet die Frage?
Wie wird die Antwort gefunden?
Wie könnte die Antwort lauten?
Gibt es ein Problem?
Beispiel: Sie haben an einer Bushaltestelle einen Baum mit Flechten gesehen. Er erinnert Sie an den Biologieunterricht. Dort wurde gesagt, dass Flechten gute Luft anzeigen. Aber in der Stadt ist doch keine gute Luft. Da müsste man doch etwas untersuchen können.
Sie beantworten die fünf Punkte:
Themengebiet: Biologie / Pflanzen / Flechten / Luftqualität / Stadt
Frage: „Welche Flechten befinden sich auf dem Baum an der Bushaltestelle?“
Methode: Alle finden, abzählen, abmessen, beschreiben, bestimmen
Erwartete Antwort: 150, zwischen 1 und 10 cm, gelb und grau, lateinische Namen
Problem: Ich kann nicht den ganzen Baum absuchen, zu hoch, hat zu viele Zweige
Da es ein Problem gibt, müssen Sie Ihre Frage ändern. Keine Angst, das ist ganz normal. Sie beantworten dann wieder die fünf Punkte:
Themengebiet: Biologie / Pflanzen / Flechten / Luftqualität / Stadt
Frage: „Welche Flechten befinden sich am Baumstamm in einem Streifen, der einen Meter breit ist, auf dem Baum an der Bushaltestelle?“
Methode: Alle finden, abzählen, abmessen, beschreiben, bestimmen
Erwartete Antwort: 40, zwischen 1 und 10 cm, gelb und grau, lateinische Namen
Problem: Kein erkennbares, das werde ich schaffen
Jetzt erhalten Sie von Ihrem Betreuungslehrer das OK für den Start.
2. Und dann schreiben wir die Arbeit. Was soll in meiner Arbeit stehen?
Sie beginnen (1) mit einem Kapitel über Flechten und ihre Verbindung zur Luftqualität (recherchieren), beschreiben dann (2.1–2.5) Ihre Arbeit – die obigen fünf Punkte mit Ihrem wirklichen Ergebnis, dazu (3) die Details, wie Sie das Ergebnis erhalten haben. Dann kommt (4) ein Kapitel, in dem Sie Ihre Ergebnisse bewerten, und in einem Schlusskapitel (5) schreiben Sie einen Ausblick: Welche weiteren Fragen könnte man unter Berücksichtigung Ihres Ergebnisses nun weiter stellen? Quellenangaben müssen immer dann gemacht werden, wenn etwas kopiert wird. Das wollen wir vermeiden. Faktenwissen, Lehrbuchwissen darf ohne Quelle aufgeschrieben werden – dazu müssen wir es aber selbst aufschreiben, so wie wir die Sache wissen und sie sehen. Wir wollen nichts und niemanden kopieren, ohne es sauber anzugeben. Fakten wollen wir überhaupt nicht kopieren. Wir lesen uns die Sachen durch, dann schreiben wir es auf. Wenn’s wichtig ist. Dann haben wir es auch im Kopf und schlagen notfalls halt mal nach.
Disclaimer: Bevor Sie starten, sprechen Sie bitte mir Ihrem Betreuungslehrer. Vielleicht sieht sie/er die Sache anders.
Diese Frage hat jetzt weniger mit Physik zu tun, als mit einer Frage, die man sich beim Schwimmen oder in der Sonne liegen am Baggersee stellen könnte. Ohne Unterlagen. Gemeint sind nicht das Handtuch oder die Luftmatratze, sondern schriftliche Unterlagen, die einem helfen würden, diese Frage zu beantworten. Das deutet doch alles auf eine interessante Forschungsfrage hin. Die man zum Beispiel im Rahmen einer Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) an österreichischen Gymnasien bearbeiten könnte.
Beispiel: Einwohnerzahl — Recherche, Beschreibung und Bewertung
Frage: Wie viele Einwohner hat Gmünd?
Erwartete Antwort: Zwischen 1 und 1.000.000. Es wird unterschiedliche Antworten geben.
Methode: Alle Möglichkeiten der Recherche: denken, telefonieren, fragen, Bücher, Internet.
Hintergrund: Gmünd ist eine menschliche Ansiedelung im nördlichen Waldviertel. Eine Siedlung hat üblicherweise mindestens einen Einwohner. Würden dort aber viele Menschen leben, wäre sie groß und bekannt. So wie Linz, Graz, Wien. Gmünd ist aber nicht allzu bekannt und wird daher unter 1.000.000 Einwohner haben. Über Telefonate, Bücher und jede beliebige Quelle im Internet werden genau wirkende Einwohnerzahlen zu finden sein. Diese Zahlen werden aber unterschiedlich sein. Welche stimmt? Wir denken nach und rufen am Gemeindeamt Gmünd an. Wir lernen, dass es das Konzept „Meldepflicht“ gibt, und jene Stelle, die die Anmeldungen der Menschen eines Ortes entgegennimmt, wird daher die „richtige“ Einwohnerzahl kennen. Ein Vergleich mit den Daten der Statistik Austria würde weitere Unterschiede zeigen, die man durch Nachfragen begründen könnte. Und woher bezieht Wikipedia ihre Zahlen? Dies wäre in der Quellenangabe sichtbar. In der Bewertung der Ergebnisse würden die Unterschiede beschrieben werden. Es würde sichtbar werden, wer der Urheber der Einwohnerzahl eines Ortes sein kann.
Ausblick: Was könnte man mit den Ergebnissen der Arbeit weiter machen?
Unterschiede in den einzelnen Zahlenangaben begründen
Urheber von Einwohnerzahlen identifizieren
Definitionen und Methoden zum Finden einer Einwohnerzahl darstellen
Entwicklung von Einwohnerzahlen bei einem Urheber darstellen
Entwicklung der Methoden zum Finden von Einwohnerzahlen darstellen
Interessensgruppen im Zusammenhang Einwohnerzahlen beschreiben
Erfinden einer Methode, dass alle die „richtige“ Einwohnerzahl haben
In einer Bucht der Donau auf der Donauinsel gibt es einen Sandstrand. In den ersten Metern unter Wasser zeigt sich dieses Bild: „Sanddünen unter Wasser.“
Frage: Welche Dünen sind zu sehen
Erwartete Antwort: Zwei verschiedene, mit unterschiedlichen Größen.
Methode: Fotografieren, Maßstab dazulegen. Auf Papier übertragen und ausmessen. Größenverteilung darstellen.
Hintergrund: Kein bekannter
Ausblick: Was könnte man mit den Ergebnissen der Arbeit weiter machen?
Die Wellenlänge typischer Wasserwellen darüber messen und schauen, ob es einen Zusammenhang zur Größe der Muster am Grund darunter gibt.
Mit Sand in einem Becken und Wasser darüber versuchen, solche Dünen selbst zu erzeugen.
Warum liegt auf manchen Stellen Schnee? Und warum liegt an anderen Stellen kein Schnee? Offene Fragen. Suchen Sie viele mögliche Antworten, um daraus eine Theorie vom Schneeligenbleiben zu formulieren.
Schnee schmilzt, wenn er die Energie dazu erhält.
Aus dem Boden
Aus der Luft (dem Wind)
Aus der Sonne (Strahlen)
An diesem Beispiel sehen wir alle drei Möglichkeiten Wärme zu übertragen. Wärmeleitung (1), Konvektion (2) und Strahlung (3).